Grundsteuer steigt um gut 1300 Prozent – wie die Stadt das erklärt

Bild von einem Apfelbaum löst kleine Diskussion aus / Stadtverwaltung liest mit und antwortet

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5456 statt 378 Euro Grundsteuer soll ein Rottweiler Bürger nach eigenen Angaben seit diesem Jahr zahlen. Für seine Streuobstwiese beträgt die Steigerung mehr als 1300 Prozent. Dem Mann schwillt verständlicherweise der Kamm, er macht sich auf der NRWZ-Facebook-Seite Luft. Kann ihm geholfen werden?

Dies ist die Geschichte eines Einzelfalls. Eines exemplarischen, aber, denn von extremen Steigerungen der Grundsteuer ist allenthalben die Rede. Die NRWZ hat sich bereits detailliert mit einem Fall aus Schramberg beschäftigt, wir führen hier ein Interview mit einem Experten zum Thema und wir haben uns mit dem entsprechenden Beschluss des Rottweiler Gemeinderats-Ausschusses beschäftigt. Da kamen wir zu dem Schluss: „Was für die Stadt (Rottweil) fast gleich bleibt, kann aber für die einzelnen Steuerzahler eine wesentliche Änderung bedeuten. Eigentümer von unbebauten Grundstücken und von Einfamilienhäusern zahlen mehr, manche sogar viel mehr. Deutlich weniger wird aber die Steuerlast bei Mehrfamilienhäusern, auch wenn Grundstücke, die mit Wohnhäusern bebaut sind, einen geringeren Satz haben.“

Die Verwaltung hat damals, 2024, einige Beispiele vorgerechnet. Demnach zahlt, wer ein Einfamilienhaus auf der Spitalhöhe mit 700 Quadratmetern Grundfläche besitzt, jetzt 684 Euro im Jahr, bislang rund 500 Euro. Für ein Einfamilienhaus in Zepfenhan mit 1700 Quadratmetern Grundfläche sind knapp 500 Euro im Jahr zu entrichten – bislang waren es etwa 80 Euro. Die Steuer versechsfacht sich hier also. Für ein unbebautes Grundstück in Rottweil Nord mit 1200 Quadratmetern ist sogar das Siebenfache zu bezahlen (1400 statt 200 Euro). Billiger wird es aber bei Zwei- und Mehrfamilienhäusern. Aber auch Gewerbegrundstücke können profitieren: In der Beispielsrechnung kommt ein Grundstück im Neckartal mit 2200 Quadratmetern auf 550 statt wie bisher 2650 Euro im Jahr.

Obstbaum in der Blüte, Titelbild der NRWZ auf Facebook.

Einen auf den ersten Blick krassen Fall schildert ein Leser der NRWZ auf unserer Facebook-Seite. Unter einem gerade veröffentlichten neuen Titelbild, das die Blüten eines Apfelbaums zeigt, schreibt der Mann:

Schönes Titelbild, leider rottet die Stadt Rottweil mit der neuen Grundsteuer Streuobstwiesen aus. Grundsteuer für meine Streuobstwiese 2024: 378,54 €. Und ab 2025: 5456,40 €!!! Unbezahlbar und keine Einsicht seitens der Stadt. Steigerung über 1400%. Somit ist das Ende der 120 Jahre alten Hochstammbäume gekommen und sie werden wohl plattgemacht. Sauberer Umwelt-, Arten- und Biotopschutz in einer Stadt, die sich in drei Jahren mit der Landesgartenschau schmücken will. Einfach nur zum 🤮.“

Das bleibt nicht unkommentiert – und ganz untypisch für das Soziale Netzwerk kommt eine abgewogene Antwort, ein Diskussionsbeitrag. Ein Leser schreibt: „Das scheint tatsächlich stark unverhältnismäßig. Die Bäume stehen vermutlich auf einem erschlossenen Baugrundstück im Innenbereich. Korrekt? Ab 1500 qm Streuobstfläche (dürfen natürlich nicht nur 2 Bäume sein) steht diese unter Naturschutz. Falls Ihre Fläche diese Größe erreicht, wäre eine Bebauung zumindest nur erschwert möglich.“

Die Diskussion auf Facebook:

Die beiden, der Obstwiesenbesitzer und der zweite Leser, unterhalten sich noch ein wenig, wir von der NRWZ bitten die Stadtverwaltung hinzu. Und um eine Stellungnahme. Auf dem Rathaus wird recherchiert und man kommt zu einem Ergebnis:

„Vorneweg ist bei dem Thema zu betonen, dass wir als Kommune hier Bundes- und Landesrecht umsetzen“, schreibt Tobias Hermann, Pressesprecher der Stadt Rottweil. Man halte sich nicht für den richtigen Adressaten für grundsätzliche Beschwerden bezüglich der neuen Grundsteuer. 

Zum beschriebenen Fall meint die Stadtverwaltung: Um den Sachverhalt eindeutig aufklären zu können, müsste das konkrete Grundstück benannt werden. Der Diskussionsverlauf auf der NRWZ-Facebook-Seite gebe aber einen gewissen Hinweis, dort steht: „weil die Stadt 2006 einen rechtsverbindlichen BB-Plan erstellt hat“.

Es sei also anzunehmen, dass es sich bei dem Grundstück vermutlich um Bauland handelt. In diesem Fall hat das Grundstück einen höheren Wert als beispielsweise eine landwirtschaftlich genutzte Fläche. „Vom Gesetzgeber ist in solchen Fällen eine Steuerungswirkung der Grundsteuer gewünscht“, schreibt Hermann als Sprecher der Stadt Rottweil. Vor der Erschließung neuer Siedlungsflächen werde von den Kommunen bekanntlich die Bebauung von Baulücken gefordert. Oftmals stünden dem aber private Interessen der Grundstückseigentümer entgegen. „Die einschlägigen Stichworte sind ‚Nachverdichtung‘ und ‚Enkelgrundstücke'“, schreibt Hermann. Aus dem Diskussionsverlauf heraus lasse sich daher vermuten, dass der Eigentümer zwar keine Bebauung seines Grundstücks beabsichtigt, dass es sich wegen der Lage in einem rechtsgültigen Bebauungsplan aber aller Wahrscheinlichkeit nach um ein bebaubares Grundstück handele.

„Demnach könnte sich daraus die höhere Grundsteuer nach neuer Rechtslage ergeben“, schließt der Sprecher der Stadt. Einzelfall mutmaßlich geklärt.  

Auf der Facebook-Seite der NRWZ bekommt der erboste Besitzer der Streuobstwiese von seinem virtuellen Gegenüber noch den Tipp: „Vielleicht ließe sich so eine andere Einstufung (Grünfläche, Ausgleichsfläche, landwirtschaftl. Fläche) erreichen.“ Und er ergänzt: „Ich kenne Ihre Fläche nicht, aber ein gültiger Bebauungsplan, der Wohnbebauung vorsieht, ist natürlich in der Tat von Nachteil, was die Einstufung betrifft. Wir (kleine Landwirtschaft) hatten eine landwirtschaftliche Fläche im Siedlungsbereich, die zuerst mit der Grundsteuer B belegt war. Nach fristgerechtem Einspruch wurde diese noch in Grundsteuer A umgewandelt. … Ich wünsche viel Erfolg, dass die Grundsteuerberechnung für Ihr Grundstück vielleicht doch noch der tatsächlichen Situation (landwirtschaftliche Nutzung + Naturschutz) angepasst wird.“

Zum Hintergrund, so erklärt die Stadt Rottweil allgemein ihr Vorgehen:

Die Stadt Rottweil erhebt Grundsteuer nach den Vorschriften des Grundsteuergesetzes. Die Grundsteuer ist eine Objektsteuer und wird nach dem Wert oder Ertrag des Steuergegenstandes erfasst.

Steuergegenstand ist der Grundbesitz an land-und forstwirtschaftlich genutzten Grundstücken (Grundsteuer A), bebauten oder unbebauten Grundstücken (Grundsteuer B). Besteuerungsgrundlage ist der durch das Finanzamt Rottweil festgestellte Einheitswert und der Steuermessbetrag.

Die Hebesätze für die Grundsteuer A und B sind in der Hebesatzsatzung festgelegt. Die Hebesätze betragen in Rottweil seit dem 01.01.2023 für land -und forstwirtschaftliche Betriebe 370 % (Grundsteuer A) und für bebaute und unbebaute Grundstücke 430 % (Grundsteuer B) der Steuermessbeträge.

Stadt Rottweil

Weitere Informationen: finanzamt-bw.fv-bwl.de/,Lde/Startseite/Grundsteuer-neu




Peter Arnegger (gg)

… ist seit gut 25 Jahren Journalist. Seine Anfänge hatte er bei der Redaktion der “Schwäbischen Zeitung” in Rottweil, beim Schwäbischen Verlag in Leutkirch volontierte er. Nach einem Engagement bei der zu diesem Verlag gehörenden Aalener Volkszeitung wechselte Arnegger zur PC Welt nach München, einem auf Computer-Hard- und -Software spezialisierten Magazin. Es folgten Tätigkeiten in PR und Webentwicklung.2004, wieder in seiner Heimat angekommen, half Arnegger mit, die NRWZ aus der Taufe zu heben. Zunächst war er deren Chefredakteur, und ist zwischenzeitlich Geschäftsführer der NRWZ Verwaltungs GmbH – und als solcher der verantwortliche Journalist der NRWZ.Peter Arnegger ist 1968 in Oberndorf / Neckar geboren worden.

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